Tatort Weltall und der amerikanische Traum

Die NASA-Astronautin Anne McClain (rechts) entfremdete sich von ihrer Ehefrau Summer Worden. (Facebook)

Aus europäischer Sicht ist Amerika ein Hoffnungsprojekt. Siedler brachen vom alten Kontinent auf, um in den neuen Landen eine bessere Welt aufzubauen. Dass sie dabei die Urbevölkerung verdrängten und Afrikaner als Sklaven hielten, ändert nichts an ihrer Mission. Noch heute dreht sich der amerikanische Traum um Neubeginn, ums Abschütteln von Altem, Verdorbenem.

Neuerdings scheint eine kulturelle creatio ex nihilo nirgendwo eher möglich als im menschen- und bakterienfreien Vakuum des Alls. Science- Fiction-Autoren träumen längst davon, der Mensch werde ferne Gestirne kolonisieren und, weitab des Mutterschiffs, moralisch neu anfangen.

Doch nun geht eine Meldung um die Welt, wonach im Weltall das erste Verbrechen begangen wurde. Die vermutliche Täterin ist Anne McClain, eine gefeierte Nasa-Astronautin mit Hintergrund als Oberstleutnant der US Army. Wenn die Verdächtigung stimmt, drang McClain dieses Frühjahr von der Internationalen Weltraumstation aus illegal in ein irdisches, nicht ihr gehörendes Bankkonto vor und sah sich darin um.


Hass und Neid sind hartnäckige Neigungen. Sie folgen ihren Trägern mühelos überallhin nach, bis ins All.


Der Hintergrund von Anne McClains Identitätsbetrug ist allzu menschlich. Das Konto gehört Summer Worden, der ihr entfremdeten Ehefrau. Worden beschuldigt McClain, sie wolle ihr den leiblichen Sohn abspenstig machen und das Sorgerecht für ihn erstreiten. Mit der Schnüffelei habe sie Material finden wollen, um den von Worden 2018 eingeleiteten Scheidungsprozess zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Hass und Neid sind hartnäckige Neigungen. Sie folgen ihren Trägern mühelos überallhin nach, bis ins All. Man kann einen Menschen von der Erde wegnehmen, aber nicht das Irdische aus dem Menschen.

Ist damit der Traum, der mehr als nur ein amerikanischer ist, ausgeträumt? Müssen Menschen, da sie es selbst nicht bringen, Roboter losschicken, um das zu erobernde Weltall von Gezänk, Konflikt und Verbrechen freizuhalten?

Auch dies ist eine Illusion, und nicht nur weil es Menschen sind, die Roboter bauen. Realitätsfremd ist die Vorstellung einer Kreatur ohne Fehl und Tadel. Was den Menschen erst eigentlich ausmacht, ist seine Unzulänglichkeit.


Erschienen am 29. August 2019 in der Basler Zeitung.

Kommentar hinzufügen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.